Ohne jemand, der in Weimar, Wismar oder Dinkelsbühl lebt, kränken zu wollen, wage ich die Behauptung, dass Görlitz die schönste deutsche Stadt ist. Nicht so schick wie München, nicht so wohlhabend wie Frankfurt und nicht so bunt wie Köln, dafür kleiner und heimeliger, eine Augenweide und ein Labsal für das Gemüt. Man sitzt in einem Café am Ufer der Neiße, schaut nach Zgorzelec auf der polnischen Seite und kann sich nicht vorstellen, dass hier einmal die Grenze zwischen Ost und West verlief. Juni soll der neue Oberbürgermeister von Görlitz gewählt werden, und es könnte sein, dass der Kandidat der AfD, ein Mann namens Sebastian Wippel, das Rennen macht. Das hätte vermutlich niemand außerhalb von Görlitz bemerkt, wäre da nicht ein offener Brief, in dem die Görlitzer aufgerufen werden, sich „nicht Hass und Feindseligkeit, Zwietracht und Ausgrenzung“ hinzugeben, sondern „weise“ zu wählen.
Source: Die Welt June 10, 2019 14:15 UTC